Achim von Arnim: Die Gleichen
Im Herbst 1857 fuhr das Ehepaar Storm mit dem Ehepaar Schlüter nach Gelliehausen, um ‚Die Gleichen‘ bei Göttingen zu besteigen (Blogbeitrag vom 25. Mai 2021). Die Aussicht genießend denkt Storm an ein auf den beiden Bergen spielendes Drama des Romantikers Achim von Arnim:
„Ich mußte lebhaft Achim von Arnims gedenken, der zum Teil mit so derber Wirklichkeit das Leben in und zwischen diesen beiden Burgen in seinem wunderbaren Schauspiel ‚Die Gleichen‘ wiederauferweckt hat; drüben auf Altengleichen lebte der verarmte Zweig der Grafenfamilie, die Gräfin Gisela mit ihren Wüsten Söhnen, die ihren reichen Vettern hier auf Neugleichen heimlich in die Jagd gingen; dort zwischen den Buchen unten war vielleicht der Schleichweg, auf dem die alte zwischenträgerische Wirtschafterin von Neugleichen zwischen den beiden Burgen hin und wieder ging. Wo aber war der Burghof, der plätschernde Brunnen? Nur ein paar nackte Mauern mit Fensteröffnungen und einer Stelle, wo viel leicht einst der Herd gewesen, stehen noch. Kaum kann man sich denken, daß auf diesem engen Raum ein so geräumiges Burgleben gewaltet habe, wie es der Dichter vor uns aufrollt. Ich hätte gern unsern alten Propst hier gehabt, mit dem wir vor Jahren das Stück lasen. Ohne Zweifel stand Arnim, vielleicht um 1819, dort, wo ich stand, und fühlte wie ich diesen Zauber auf sich wirken, doch so, daß er bei ihm zu einer großen tiefsinnigen Dichtung sich gestaltete. ‚Allen guten Frühlingsgeistern der alten Schlösser Plesse, Hanstein und der beiden Gleichen bei Göttingen, den kühlen Quellen, dem frischen Morgentau, dem schimmernden Grün und dem beseligenden Hauche der Bergluft zugeeignet in der heißen Mitte des Tages und des Jahres. Berlin, den 8 Juli 1819.‘ So lautet die Widmung des Stücks. Jetzt war es Herbst, und das paßte zu meiner Stimmung auch viel besser; denn Alles, was mir hier lebendig wurde, gehörte der Vergangenheit.“