Neuigkeit: Schenkung des silbernen Taufbechers von Theodor Storms Tochter Elsabe
Ein ganz besonderes Original aus dem Besitz der Storm-Familie wurde in die Sammlung des Literaturmuseums aufgenommen und zwar der silberne Taufbecher von Theodor Storms Tochter Elsabe! Die Schenkung stammt von dem Nachfahren Elsabes, Dr. Kai Enno Brogmus. Er überreichte Museumsleiter Dr. Gideon Haut den neuen Schatz unseres Hauses am 13.04., dem diesjährigen Palmsonntag.
Zum Anlass dieser einmaligen Schenkung sollen sowohl der Taufbecher als auch Elsabes Taufpatin Emma Becker, deren Name sich auch auf der Unterseite des Bechers befindet, kurz vorgestellt werden.
Laut Taufregister kam Elsabe Clara Emma Agnes Alexandrine Storm am 24. Januar 1863 um 5 Uhr morgens zur Welt. Als zweite in Heilbad Heiligenstadt geborene Tochter und insgesamt sechstes Kind von Theodor und Constanze Storm wurde sie am 29. März 1863 in der St. Martinskirche getauft. Eine Taufpatin Elsabes war Emma Becker. Deren Ehemann Wilhelm Becker hatte die Stellung als Obergerichtsadvokat in Oldenburg inne und hatte sich seit der gemeinsamen Schulzeit am Lübecker Gymnasium mit Theodor Storm angefreundet. Obwohl Theodor Storm den Schulfreund seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte, fühlte er sich bei Wilhelms Besuch 1857 in Heiligenstadt genauso vertraulich mit ihm verbunden wie früher. Auch mit Wilhelms Ehefrau Emma verstand er sich sehr gut. Storm schätzte an beiden ein aufgeschlossenes, vielfach interessiertes Gemüt und ein ausgeprägtes künstlerisches Talent. Wie ihr Ehemann spielte Emma gerne Klavier und widmete außerdem sie sich bei ihrem Besuch in Heiligenstadt ausgiebig dem Zeichnen der umliegenden Landschaften. In einem Brief Mitte Oktober 1857, in dem auch ein gewisser Wehmut nach dem bereits abgereisten Besuch mitschwingt, schildert Theodor Storm an seine Mutter sowie an seine Schwiegermutter:
„Vor etwa 3 Wochen hatte ich die Freude, meinen alten Schulfreund, den Obergerichtsadvokaten Becker aus Oldenburg (Herzogth. Oldenburg), mit seiner Frau bei uns zu sehen. Sie machten eine Erholungsreise und verweilten einige Tage bei uns, ein sehr liebenswürdiges, übrigens kinderloses, Ehepaar. Du weißt, daß ich in Lübeck, wo er als Gymnasiast im Hause seines nun auch verstorbnen Onkels, Dr. Steche, lebte, sehr intim mit ihm verkehrte. Er war damals ein ausgezeichneter Fortepianospieler, und ist auch jetzt einer der Hauptmusikmänner in Oldenburg. (…) Er ist so fix in der Sache, daß er sich Abends beim Thee Beethovensche Symphonien aus der Orchester-Partitur zu 6 Händen für’s Pianoforte arrangirt, um sie dann auf 2 Instrumenten mit Frau und Schwester zu spielen. Daneben ist er ein großer Blumenfreund und kenner, so daß er und „Onkel“ Otto recht miteinander los räderten.
Wir hatten uns übrigens in 20 Jahren nicht gesehen, aber Jugendfreundschaft ist so stark, die alte Vertraulichkeit war sofort zwischen uns, als wären wir gestern auseinander gegangen. Er ist ein Mensch, fein und edel bis in die Fingerspitzen, wie ich das Glück gehabt habe doch mehr als Einen in meinen jungen Jahren gefunden zu haben. Seine Frau scheint ganz zu ihm zu passen; auch war sie, wie er, mit allerlei Geschicklichkeit ausgestattet; so hat sie z. B. mit Bleistift Heiligenstadt von mehreren Seiten (auch oben vom Iberg) in ihr Skizzenbuch hineingelandschaftet. (…) Es waren ein paar köstliche Tage, die wir mit diesem liebenswürdigen und für jedes geistige Intresse angeregten Ehepaar verlebten. Hätte ich doch nur Einen meiner Jugendfreunde in der Nähe!“
Vielleicht konnte es für Theodor im Nachhinein tröstend wirken, dass das Ehepaar ihn und seine Familie später (Mitte September 1859 sowie Pfingsten 1863) nochmals in Heiligenstadt besuchen würden. Besonders gegenüber ihrem Patenkind, Elsabe, bezeigte sich Emma stets großzügig, was auch anhand ihres Geschenks in Form des silbernen Taufbechers deutlich wird. Brieflich erwähnt Theodor Storm die Taufgabe gegenüber seiner Eltern am 8. Februar 1864:
„Am Abend […] traf noch eine Weihnachtskiste von Onkel und Tante Becker aus Oldenburg ein, die […] unter großer Theilnahme der Kinder geöffnet wurde. Was enthielt sie nicht Alles! […] dann ein kirschrothes Kleid von echtem Merino für Tante Beckers Patchen Elsabe (einen silbernen Becher hatte sie ihr schon im Sommer selber mitgebracht) […].“
Elsabes Taufbecher ist nicht nur als für sich stehender Gegenstand ein zeitgenössisch-authentisches Kulturgut, sondern auch ideell in seinem Wert für die Familiengeschichte der Storms in Heiligenstadt unschätzbar. Denn er legt ein plastisches Zeugnis darüber ab, welche starke Bedeutung Theodor Storm seinen zwischenmenschlichen Beziehungen, vor allem seiner Ehefrau und seinen Kindern, zumaß und wie sehr er sich mit seiner Rolle als Familienvater und Freund identifizierte.
Der Taufbecher erhält einen Platz in unserer Dauerausstellung und ist dort ab sofort für alle Gäste zugänglich.
Wir bedanken uns ganz herzlich beim Ehepaar Brogmus für diese einmalige Schenkung!