Eine Doppelausstellung zum Sondershäuser Künstler Günther Jahn

Seit 36 Jahren hat Heilbad Heiligenstadt zeitgleich zwei Museen: das 1988 gegründete Literaturmuseum „Theodor Storm“ und das Eichsfeldmuseum, ein ehemaliges Jesuitenkolleg. Gemeinsame Projekte gab es in den vergangenen Jahren immer mal wieder, eine gemeinsame Sonderausstellung allerdings noch nie.

Seit Ende letzten Jahres ist das anders. In einer großen Doppelausstellung präsentieren beide Häuser Werke des Künstlers Günther Jahn. Dabei setzten das Literaturmuseum „Theodor Storm“ sowie das Eichsfeldmuseum jeweils einen unterschiedlichen Fokus entsprechend ihrer Themengebiete.

Unter dem Titel „Günther Jahn – Auf der Bühne“ können die Besucher des Literaturmuseums Harlekine, junge Damen und den Tod, Reiter, Ritter, Könige und allerlei kuriose Tiere entdecken, die der Künstler in seinen Bildern wie ein Theaterensemble auf einer Bühne in Szene setzt.

„Warum soll der Künstler die alte Natur nachbilden,
wenn er imstande ist, eine neue Natur zu schaffen?“
Günther Jahn (1968)

Jahns Leidenschaft für Literatur und Musik wird in vielen seiner Werke deutlich. Das Bild „Der Tod und das Mädchen“ von 2008 ist eine malerische Hommage an das gleichnamige Kunstlied von Franz Schubert (1817), das sich auf eine lange Motivtradition beruft. Deren Ursprung lässt sich auf die spätmittelalterlichen Totentänze zurückführen. Einer der bekanntesten Motivvertreter der Frühen Neuzeit, in der das Motiv feste Grundzüge annahm, ist das gleichnamige Gedicht von Matthias Claudius (1775).

Günther Jahn, Der Tod und das Mädchen, 2008

Der Tod und das Mädchen
M. Claudius

Vorüber, ach, vorüber
Geh, wilder Knochenmann
Ich bin noch jung, geh, lieber
Und rühre mich nicht an
Und rühre mich nicht an
Gib deine Hand
Du schön und zart Gebild
Bin Freund
Und komme nicht, zu strafen
Sei gutes Muts
Ich bin nicht wild
Sollst sanft
In meinen Armen schlafen

Drei Werke der Ausstellung beziehen sich zudem auf Theodor Storms Novelle „Der Schimmelreiter“ (1888). Sie zeigen jeweils einen Reiter auf einem grauweißen Pferd. Die Abstraktionsgrade variieren zwischen geometrisch vereinfacht, aber dennoch realistisch, bis hin zu surreal bzw. traumgleich. Dies ist die gleiche Unterscheidung wie bei Theodor Storm: der menschliche Hauke Haien und der geisterhafte Schimmelreiter mit „zwei brennende[n] Augen“ und „einem bleichen Antlitz“. Jahn hatte Storm bereits zu Schulzeiten gelesen, allerdings auch in seinem späteren Leben immer wieder zu ihm zurückgefunden. Auch seinen Kindern habe er aus den Werken Storms vorgelesen, berichtet die Familie.

Drei Gemälde des Künstlers Günther Jahn inspiriert durch die Novelle „Der Schimmelreiter“

Ab den 2000er Jahren bis hin zu seinem Tod in 2011 beschäftigte sich Jahn auch mit religiösen Bildthemen. Diese hat das Eichsfeldmuseum nun zum ersten Mal in einer Ausstellung vereint. Unter dem Titel „Günther Jahn – Von Schlange und Apfel“ ist es der zweite Teil der Doppelausstellung. Dabei steht vor allem Jahns Adam und Eva-Bildreihe im Zentrum.

Als Künstler der Postmoderne handelt Jahn Themen wie religiöse Zugehörigkeit und Geschlechterrollen an diesem klassischen Motiv ab. Dabei wird die Schuldfrage neu erdacht und hinterfragt, die Nacktheit und Körperlichkeit wird vor allem in Kontrast zu Religion auf die Spitze getrieben. Jahns Humor und sein literarisches Vorwissen fließen in die Interpretationen mit ein. So ist das Werk „Adam und Eva 1“ stark durch die Erzählung „Leib Weihnachtskuchen und sein Kind“ des Autors Karl Emil Franzos beeinflusst, in der der Christ Janko die jüdische Miriam ehelichen möchte. Miriams Vater ist gegen eine Ehe der beiden und verspricht die Hand seiner Tochter dem 70-jährigen Juden David Münzer.

Günther Jahn, Adam und Eva 1, 2008

Miriam, die Jahn in seinem Bild als Eva darstellt, wird im Text wie folgt beschrieben:

„… sie konnten Gott danken, daß Miriam so geworden war, nicht bloß gesund, sondern auch schwer und dick! Das heißt: nicht etwa unförmlich, kein Fettklumpen, wo ihm ein Vater, dem er sie antrug, hätte antworten können: So eine Frau noch weiter aufzunudeln, ist mein Sohn nicht reich genug, – aber saftvoll und quellend, wie eine eben gereifte Birne, und dabei so wuchtig, daß sich im Hofe – er sah es deutlich – kein Grashalm mehr regte, auf den der nackte braune Fuß getreten war, sondern für immer zerdrückt am Boden haftete.

»Ein schweres Mädchen« – das ist das Schönheitsideal dieses Volkes, das es, gleich so vielem, was seine Seele erfüllt, sie beflügelt und niederzieht, aus der fernen, heißen, auf ewig verlorenen Heimat mitgebracht hat.“

Der jüdische David Münzer wird im Bild zum Adam. Er, in seiner Nacktheit, ist dem kritischen Blick Miriams ausgesetzt. An der Körperhaltung wird klar, dass es sich bei den beiden nicht um ein sich innig liebendes Paar, sondern eine arrangierte Ehe handelt. Indem Jahn die beiden Figuren als Adam und Eva darstellt, lädt er den Betracht ein, beide Schicksale zu vergleichen. Wie steht es um den freien Willen, Liebe, Schuld und Sünde?

Im Literaturmuseum „Theodor Storm“ endet die Ausstellung am 23. März 2025. Am 16. März findet eine kostenfreie Kuratorinnenführung um 15:00 Uhr statt, zu der wir Sie herzlich einladen.

Die Ausstellung im Eichsfeldmuseum läuft noch bis zum 30. März. Eine Finissage findet am gleichen Tag statt.