Ein Kater in Heiligenstadt
Nach seinem ersten halben Jahr in Heiligenstadt berichtet Theodor Storm dem befreundeten Ehepaar Laura und Hartmuth Brinkmann von dem Leben der Familie in der neuen Heimat. So sind die ältesten Söhne nun schon bereit für den Abendtee: „Die beiden ältesten Knaben, beide ein paar sehr feine Naturen, teilen, seit wir hier sind, schon immer unsern Abendtee. Der Ernst freilich fällt gewöhnlich, sobald er satt ist, untern Tisch und schläft ein, zumal seit der Kater verstorben ist.“
Die Geschichte des Katers wird folgend bildhaft vom Dichter geschildert: „Wir hatten uns nämlich hier schon wieder eine solche Kreatur, als Wahrzeichen einer neuen Heimat, zugelegt. Er schlief Nacht um Nacht bei Hans und Ernst und ritt dann Abends vom Teetisch weg samt dem Berechtigten auf der dicken Anna zur Tür hinaus nach der Schlafstube. Mitunter kaufen die Jungens sich das Recht auf die Nacht für einen Griffel ab. Wenn dann der Kater unter sanftem Winseln zu dem Jungen aufs Roß gehoben wurde und die ganze Karawane dann zur Tür hinausfuhrwerkte, so gab das immer eine sehr heitere Szene.“
Die Tradition einer neuen Katze in der neuen Heimat nimmt jedoch ein rasches Ende: „Aber – es tut’s halt nimmermehr! Die Katzen wollen mir nicht mehr leben bleiben. Eines Morgens fanden wir ihn im Waschhaus, wohin er sich mit der den Tieren bei dem Sterben eigenen Keuschheit in der Stille begeben hatte – tot ausgestreckt in einer anmutigen Stellung, die ihn im Leben auszeichneten.“ Zum Abschied gestalteten die Kinder eine kleine Beerdigungszeremonie: „Hans schrieb die Leichenpredigt, und Ernst las sie vom Konzept bei der Begräbnisfeierlichkeit.“
Über weitere Katzen im Stormschen Haushalt in Heiligenstadt ist nichts bekannt. In den Werken des Dichter treten die Samtpfoten jedoch häufig auf, wie das Gedicht „Von Katzen“ oder das Märchen „Bulemanns Haus“ belegen.