Die neuen Storm-Blätter sind erschienen – Eine Sonderausgabe zu Theodor Storms Kindermärchen Der kleine Häwelmann!

Zur Eröffnung der diesjährigen Stormtage am ersten Juli-Wochenende wurde der 26. Jahrgang der Storm-Blätter erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Dieses Mal handelt es sich um eine bebilderte Sonderausgabe zu Theodor Storms Kindermärchen Der kleine Häwelmann!

 

Als Gönner, Unterstützer und sogar aktiv Mitwirkender zur Realisierung dieses besonderen Projekts zeichnet sich in mehrfacher Hinsicht Prof. Dr. Gerd Eversberg aus. Alles begann mit einer großen Schenkung, die er 2024 dem Literaturmuseum „Theodor Storm“ übergab. Diese besteht aus einer breit gefächerten, über mehrere Jahre hinweg von Herrn Prof. Dr. Eversberg penibel zusammengetragenen und dokumentierten Sammlung zu Bilderbuchausgaben von Der kleine Häwelmann. Auf Grundlage dieser entstand eine Sonderausstellung zur Aufbereitung und Vermittlung der künstlerischen Darstellungsvielfalt, die aus einer bisher schon über hundert Jahre (1919-2021) andauernden Auseinandersetzung von Illustratoren und Illustratorinnen mit dem Kunstmärchen hervorgegangen ist. Die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Henriette Roth sowie Daniela Scheele kuratierten sie. Zu sehen war sie vom 05.07. bis zum 22.09.2024 im Literaturmuseum.

Sowohl die Schenkung selbst als auch die damit einhergegangene Sonderausstellung dienten nun wiederum als thematisches und inhaltliches Fundament, um die Sonderausgabe der diesjährigen Storm-Blätter zu schaffen. Nicht nur förderte Prof. Dr. Eversberg diese Publikation großzügig, sondern stellte im Rahmen dieser auch eine darin enthaltene textkritische, neu kommentierte Fassung zur Erstveröffentlichung des Kindermärchens (1849) an. Daran schließen alle bisher erschienen Cover-Illustrationen der Bilderbuchausgaben von Der kleine Häwelmann an. Die bibliographischen Angaben sowie kursivgedruckten illustratorischen Hinweise zu den Covern aus der Schenkung sind ebenfalls Ergebnisse seiner Forschung und Sammlungsdokumentation. Von dem gesamten Museumsteam sowie von dem Storm-Verein in seiner Funktion als Träger des Museums soll Ihnen hiermit noch einmal herzlich gedankt sein, lieber Prof. Dr. Eversberg!

Darüber hinaus haben noch drei weitere Beiträge in dieser Sonderausgabe ihren Platz gefunden. Die darin gebündelten literaturwissenschaftlichen und kunsthistorischen Überlegungen zu Der kleine Häwelmann sollen der Leserschaft als Orientierungshilfe sowie als generelle Bereitstellung von Informationszusammenhängen dienen, um sich das Werk als Bilderbruch oder rein literarisch abgefassten Text mit unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten erschließen zu können.

So beleuchtet Henriette Roth in ihrer Hinleitung zu den Cover-Abbildungen die vielfältige Funktionalität von Illustrationen in den Häwelmann-Ausgaben der Eversberg’schen Sammlung. Anhand ausgewählter Beispiele zeigt sie, wie Illustrationen nicht nur die kindliche Fantasie anregen und das Textverständnis fördern, sondern auch Deutungsräume eröffnen, die über den Wortlaut des Märchens hinausgehen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der emotionalen Wirkung der Bilder und ihrem Einfluss auf die Rezeption der Geschichte durch Kinder.

In einem weiteren Beitrag widmet sie sich dem Motiv der Sonne. Häufig als Sinnbild für Hoffnung, Trost und Neuanfang, für Religion und Spiritualität genutzt, steht es im Widerspruch zur Funktion der Sonne im Märchen Der Kleine Häwelmann. Der Text arbeitet mit der Hypothese, dass es sich bei der Sonne um eine erziehende, strafende Mutterfigur handelt und eröffnet den Vergleich zur Ikarus-Sage. Die angeführten Illustrationen aus den Häwelmann-Ausgaben unterstützen diese These, indem sie die Sonne teils vermenschlichen und ihre Autorität visuell betonen.

Die Literaturtheorie des New Historicism geht von einer mehrdimensionalen Interkonnektivität von literarischen Werken zu ihren jeweiligen kulturellen, gesellschaftlichen und historischen Kontexten aus. Als Kindermärchen partizipiert auch Theodor Storms Der kleine Häwelmann an zeitgenössischen Diskursen (spät-)aufklärerischer, (spät-)romantischer und biedermeierlicher Konzeptionen von Kindheit, Familie und Erziehung. Judith Windel erstellt in ihrem Aufsatz einen historischen Abriss auf Basis der bisherigen Ergebnisse der Forschungsliteratur mit einem Fokus auf Gesellschaft und Kultur des 19. Jahrhunderts in West- bzw. Mitteleuropa. Dieser soll als Vergleichshintergrund für eine zukünftig noch zu tätigende, symbolsystematische Literaturanalyse von Der kleine Häwelmann nach der Theorie des New Historicism dienen. Auch der generell interessierten Leserschaft sollen mit diesem historischen Abriss Denkanstöße geliefert werden, um das Kindermärchen als literarisches Produkt seines Zeitgeistes zu lesen.

 

Ab sofort können Sie die neue Ausgabe der Storm-Blätter in unserem hauseigenen Museumsshop für 9,80 € erwerben