Ein Gedicht an die Mutter
„Es war eine gute Mutter, meine Mutter“. Mit diesen Worten charakterisiert Theodor Storm 1883, vier Jahre nach ihrem Tod, seine Mutter Lucia Storm (1797-1879), in einem Brief an Paul Heyse. Als junger Mann war sein Urteil über sie nicht besonders höflich. An seine spätere Frau Constanze gerichtet schrieb er 1845: „Auf der andern Seite ist auch Mutter, bei all ihrem guten thätigen Willen, mir unbequem durch ihren ängstlich behuthsamen Sinn, zumal aber durch ihre zähe langsame Auffassungsgabe. Mein Geist ist zu leicht beweglich, zu feurig, um mit solchen Frauen leben zu können.“ Auch das Verhältnis zu seinem Vater war abgekühlt.
Erst später verbesserte sich Storms angespannte Verbindung zu seinen Eltern, der Dichter war milder gestimmt. Ihr langes Leben empfand er als ein Geschenk an die Kinder, welches jedoch auch in Ehren gehalten werden muss. Denn Storms Eltern hatten ihrem Ältesten in vielfacher Weise Hilfe geleistet: sie unterstützten ihn in Potsdam und Heiligenstadt mit Finanz- und Sachleistungen und boten ihm und seinen Kindern in Husum einen sicheren Rückzugsort. Theodor sprach ab dieser Zeit nur noch positiv gegenüber Freunden von seinen Eltern. Anlässlich des 81. Geburtstags von Lucia am 23. Juli 1878 schrieb er ihr ein persönliches Gedicht. Dieses nahm er sogar in seine Gedichtsammlung auf:
„Du und Dein Sohn, sie sind beide schon alt;
Doch blühen noch Rosen,
Und das Herz ist nicht kalt.“
Der Ton des Gedichts ist sehr persönlich. Mit wenigen Worten drückt der Dichter das Verhältnis zu seiner Mutter aus. In seiner Bescheidenheit berührt das Gedicht noch heute.