Römische Abende in Heiligenstadt

In einem Brief an seine Mutter, Lucie Storm, beschreibt Theodor Storm eine Gesellschaft von zwanzig Familien, die sich jeden Donnerstag am Abend zwanglos trifft. Genannt wird die Zusammenkunft „Römischer Abend“: „Es haben sich nämlich etwa zwanzig der ersten Familien hier in der Weise zusammengetan, daß jeden Donnerstagabend bei einer derselben ‚die Salons‘ geöffnet sind; man geht und kommt, wie man lustig ist, ohne allen Zwang; aber es gibt nichts als eine Tasse Tee und ein Stück Syster- oder Platenkuchen. ‚Römischer Abend‘ ist dies Ding getauft, weil es die hiesige Erfinderin, ein altes geistvolles, leider mit der Elephantiasis behaftetes Fräulein von Kaisenberg, wohl in Rom so mitgemacht hat. Aber es ist eigentlich das Hübschste, was ich an Geselligkeit seit lange gefunden, und dabei wohlfeil.“

Getroffen wird sich in den privaten Wohnungen und Häusern der Teilnehmer. Als der Abend in der kleinen Stormschen Wohnung stattfand, musste diese umgeräumt werden: „Als es bei uns war – wo Constanze auch ihre Schlafstube ausgeräumt hatte, so daß nun drei Zimmer waren -, las ich meine eben vollendete neue Novelle. Otto und Wilhelmine, sonst nie zu erlangen, waren auch gekommen und befanden sich höchst behaglich.“

Um auftretenden Platzproblemen entgegen zu wirken, wurde die Mitgliederanzahl begrenzt: „Als nun der Staatsanwalt Delius beantragte, daß wir mit heute die Zahl der Mitglieder abschließen müßten, weil unsre Gemächer sie sonst nicht zu fassen vermochten, kam Constanze auf mich zu: ‚Du, Otto und Wilhelmine wollen auch eintreten.‘ Geschwind vor Torschluß, ehe der gesunde Entschluß zurückgenommen würde, meldete ich sie an.“

Einzig Landrat Alexander von Wussow fehlt in diesem illustren Kreis: „Wussows sind aus irgendeiner Verkniffenheit, weil sie nicht aufgefordert worden, weil ihnen einige Elemente darin nicht recht waren, nicht in dieser Gesellschaft, die sich übrigens so ganz von selbst gemacht hat. Jetzt scheint es ihnen fast leid.“

Dass die „Römischen Abend“ auch sehr amüsant sein können, zeigt ein Brief des Dichters an seinen Vater Johann Kasimir Storm: „Von dem letzten Römischen Abend, der auf dem Rahthaus gehalten wurde, wo wir mit den zwanzig Kindern der Mitglieder lebende Bilder zu deutschen Volksmärchen – Aschenbrödel, Hansel und Gretel, Dornröschen (in drei Abteilungen) – stellten und wo Karl als Komiker Furore machte, müssen wir mündlich das Nähere erzählen.“