Ein Liebesbrief

Ein Liebesbrief Storms vom 25. Juli 1862 an seine Frau Constanze:

„Ich bin ganz allein im Hause; Du denkst nicht, wie still und abgeschieden und doch wie freundlich es hier ist; die Sonne scheint vom Gang herein durch die offene Thür, nur wie ein Bienensummen hör ich den Kinderlärm von der Straße. Wie sehn` ich mich nach Dir! Könnt` ich nur einmal einen Tag so mit Dir allein sein, so ganz allein, dass nichts Dich abzöge und all Dein Empfinden und Deine Gedanken nur bei mir wären. Das wäre das Glück! Wie süß das Wort klingt. So leicht erreichbar scheint es, und so unerreicht wird es bleiben. So einmal voll und ohne alle Störung aus empfinden können, was wir einander sind, allmählich immer mehr geworden sind, das wäre die Stunde des Glückes, die mir jetzt die schönste auf der Erde scheint. Und jetzt wo bei der langen Trennung wir den innersten Kern unseres Wesens klarer und tiefer empfinden, als dieß in der Jagd des täglichen Lebens möglich ist, wo ich meine Liebe zu Dir wie einen leibhaftigen süßen Strom in meinem Blute empfinde, – jetzt wäre die Stunde. Aber – lebwohl – auf Wiedersehen, meine einzig Geliebte! Dein Th.“