Die musikalischen Heiligenstädter

In einem Brief an seinen Vater vom 6. April 1860 schreibt Theodor Storm darüber, wie viel Freude er mit den musikalischen Heiligenstädtern hatte:

 „Die Kräfte des Vereins, namentlich im Chorgesang, sind so gut wie wohl selten in so kleinen Vereinen und dabei wird die Sache von allen mit Ernst und Lust betrieben, so daß ich mich jedesmal auf den Dienstagabend, wo wir abwechselnd bei einem der Mitglieder zusammenkommen, freue, zumal viel nette Leute darin sind. So wird es denn auch oft gegen Mitternacht, ehe wir nach Hause kommen.“

Zwei dieser Chormitglieder waren der Kreisgerichtsrat Wilhelm Bader, der aufgrund seiner Genauigkeit bei den Stimmeinsätzen gerne die Gesangsvereinsuhr genannt wurde, und der Seminarlehrer Heinrich Reymann, welcher auch Storms Mitdirigent war.

Drei Jahre nach dem Verfassen dieses Briefes, der Chor studierte gerade Hillers „Zerstörung Jerusalems“ ein, wurde den beiden Dirigenten eine besondere Ehrung zuteil. Storm schreibt, dass am Abend des 10. Aprils 1863 der Kreisgerichtsrat Bader Storm und seine Frau zuhause abholte und zum Rathaus begleitete. Während Constanze durch einen Seiteneingang das Gebäude betrat, wird er durch das Hauptportal geführt.

 „Aber zunächst werde ich unten in ein Zimmer gebracht, wo sich außer einigen Herren Mitglieder mein Mitdirektor, Seminarlehrer Reymann, und vier unserer Damen in großer Toilette vorfinden. ‚Was wollen sie mit uns machen, Herr Kollege?‘ sagt Reymann, dem die Sache außer allem Spaß zu sein schien und der wie ich vorzüglich gut gekämmt war. Aber schon müssen wir jeder zwei von den Damen den Arm geben, und so geht’s die breite Treppe nach dem Saale hinauf. Die Türen öffnen sich, links stehen die Damen, rechts die Herren; alle drei Kronleuchter brennen. Gerade der Tür gegenüber steht auf einem Tischchen bekränzt und von Kerzen beleuchtet in goldenem Rahmen der große Merzsche Kupferstich der Kaulbachschen Zerstörung Jerusalems – (es ist freilich nicht die, welche den Stoff zu dem Hillerschen Werke gegeben hat, sondern die letzte durch Titus) -, davor liegt in rotem Einbande das große Marxsche Werk über Beethoven. Wir beide Feierlinge werden je zu einem Stuhle zur Seite des Tisches geführt. Und nun tritt Kollege Bader richtig aus dem Kreise und hält uns eine große Anerkennungsrede, uns schließlich als Zeichen der Dankbarkeit des Vereins mir das Bild und Reymann das Buch überreichend.“

 

Eine Kopie dieses Bildes kann auch im Museum betrachtet werden.